MANV – Mobile elektronische Datenerfassung bei einem Massenanfall von Verletzten

Schadensereignisse mit einer größeren Anzahl von Verletzten (z. B. Bus- und Bahnunfälle, Ereignisse bei Großveranstaltungen, Unfälle in großen Produktionsanlagen und Kraftwerken) stellen für die beteiligten Einsatzkräfte eine besondere Herausforderung dar. Die präklinische medizinische Versorgung der Patienten durch den Rettungsdienst kann zumindest phasenweise nicht den üblichen individualmedizinischen Ansprüchen und Standards genügen und ist durch die Priorisierung von Aufgaben und den effizienten Einsatz verfügbarer Ressourcen geprägt. Die hierfür benötigten Informationen werden gegenwärtig meist auf Papierformularen dokumentiert und im persönlichen Gespräch, durch Melder oder fernmündlich kommuniziert.

Projektziel

Ziel des Projektes war die Vereinfachung und Optimierung der Zusammenarbeit von rettungsdienstlichen Einsatzkräften mit Hilfe eines mobilen computerbasierten Dokumentations- und Informationssystems. Da längere Lern- und Eingewöhnungsphasen für das System nicht nur die Etablierung geordneter Abläufe erschweren würden, sondern auch die Versorgung der Patienten gefährden könnten, ist die unmittelbare Gebrauchstauglichkeit der Benutzungsschnittstelle auch unter extremen Arbeitsbedingungen von entscheidender Bedeutung. Nur wenn Daten effizient erfasst und Informationen direkt abrufbar sowie interpretierbar sind, können die potenziellen Vorteile einer computerbasierten Lösung zum Tragen kommen.

Im Projekt wurden daher innovative Interaktionsmöglichkeiten (Multitouch, Gestik, Sprache) sowie moderne Eingabegeräte (Smartphones, Tablet-PCs) benutzerorientiert evaluiert sowie Interaktions- und Kommunikationsmodelle etabliert, die auf die aufgaben-, nutzer- und organisationsbezogenen Anforderungen abgestimmt sind. Die Entwicklung folgt aktuellen Konzepten aus Usability-Engineering und agiler Softwareentwicklung, insbesondere den Methoden gemäß User-Centered System Design, Feature Driven Development sowie Contextual Design.

Projektergebnisse 

Im Rahmen einer umfassenden Arbeitsanalyse des Nutzungskontextes Rettungsdienst wurden, neben regelmäßigen Gesprächen mit Fachexperten, auch Großübungen in Hamburg und Nordrhein-Westfalen teilnehmend beobachtet sowie  Workshops mit über einer großen Zahl von Vertretern verschiedener Rettungsdienstträger durchgeführt und ausgewertet. Aufbauend auf diesen und anderen Analysen wurde ein Dokumentations- und Informationssystem für den MANV als Erweiterung einer bei der täglichen Arbeit genutzten Anwendung im Rettungsdienst konzipiert, da sich Massenanfälle von Verletzten nur selten ereignen, aber Routine in der Systemnutzung in diesem sicherheitskritischen Kontext besonders wichtig ist. Der realisierte Prototyp wurde auf dem Deutschen Forum für Notfallmedizin und Rettung 2012 auf einem eigenem Messestand mit Fachpublikum diskutiert und bei einer MANV-Übung der Berufsfeuerwehr Kiel mit 40 virtuellen Patienten evaluiert. Die Gebrauchstauglichkeit wurde dabei von den Benutzern jeweils positiv bewertet. Das entwickelte System ist das erste uns bekannte System, dass eine Verbindung aus rettungsdienstlicher Routinearbeit und einem Ausnahmezustand wie MANV mittels einer computergestützten mobilen Lösung realisiert und erfolgreich evaluiert hat. Aus den Erkenntnissen des Projekts lassen sich andere Problem- und Anwendungsfälle im Bereich sicherheitskritischer Mensch-Maschine-Systeme zwischen aufgabenbasierter Routine und ereignisbasiertem Ausnahmefall erschließen und möglicherweise geeignet unterstützen.

Projektlaufzeit

März 2011 bis Mai 2013

Projektpartner

Behra Unternehmensberatung, Hamburg

Berufsfeuerwehr Kiel